Saturday, February 27, 2016

Gebinched: Minority Report und The Expanse

I'm placing you under arrest for the future murder of Sarah Marks and Donald Dubin that was to take place today
Minority Report


Ich weiß nicht mehr wo, aber einmal hatte ich einen Artikel über die 90er Jahre des letzten Jahrtausend gelesen. Zwei Sachen sind dabei hängen geblieben: Zum einen, dass die 90er einmal als die "Goldenen 90er" in die Geschichte eingehen werden und zum zweiten, dass sich die damalige Generation wie folgt beschreiben lässt: "Sie trieben Unzucht und lasen die Zeitung." Im 21. Jahrhundert wird das wohl umgeschrieben werden müssen in "Sie sahen Youporn und trieben Binge-Watching!". Da ich in dem Alter bin, in dem man froh ist, vom Beischlaf mit seiner Ehefrau befreit zu sein, habe ich wieder einmal mit "Binge-Watching" meine kostbare Lebenszeit verschwendet.

Als Science Fiction Nerd bin ich mit froher Hoffnung "Minority Report" und "The Expanse" angegangen. Mit höchst unterschiedlichem Vergnügen, denn beide Serien decken das jeweilige Spektrum an den Extremen ab: Sehr gut und unterirdisch schlecht. Gute Beispiele dafür, was man bei Darsteller, Dialoge, Umsetzung der Welt, Produktionsdesign und Effekte in den Sand setzen kann oder wie man es richtig macht.

"Minority report" basiert auf einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick, einer meiner Lieblingsautoren, wenn es um Dystopien geht. Er hatte ein Händchen Geschichten mit "verdrehter" Realität so gut zu erzählen, dass Hollywood sich mehr als einmal bedient hat. "Blade Runner", "Total Recall", "A Scanner Darkly" oder besagter "Minority Report", um ein paar der Filme zu nennen.

Vor allem mit ein "A Scanner Darkly" verbinde ich zudem ein persönliches Erlebnis. In dem Buch geht es um Bob, einen Undercover Agenten, dessen Aufgabe es ist, eine WG voller Junkies unter Beobachtung zu halten. Selbst abhängig, an der Grenze der Schizophrenie liefert er unter anderem Berichte von seinem "Drogen-Ich" ab, da er selbst dort wohnt. Ziemlich finster die ganze Sache und als es mein damaliger Wohnungsgenosse las - klassischer Kiffer, inklusive bunter Pillen und ne Menge Alkohol -, ließ er freiwillig für Wochen seine Finger von dem Zeug. Danke Mr. Dick!

Dick war darüber hinaus ein sehr politischer Autor und vieler seiner Geschichten befassten sich mit autoritären Regierungs- und Gesellschaftssystemen, individueller Freiheit, übermächtigen Konzernen, freiem Willen und dem Missbrauch von Macht. Alles Themen von "Minority Report", man muss sich nur einmal die Grundidee ansehen: "Wir stecken dich für die nächsten 30 Jahre in den Knast, weil du morgen jemand umbringen wirst!". Was ist das für eine Gesellschaft, die einem Menschen den freien Willen abspricht und ihn für ein Verbrechen verurteilt, dass er eventuell niemals begehen wird? Es ist eine Dystopie, die grundlegende Fragen über das Verhältnis zwischen individueller Freiheit und einem autoritären Staat aufwirft. Davon ist die Serie unbeleckt und meine böse Vermutung ist, dass weder die Drehbuchautoren oder Produzenten die ursprüngliche Geschichte von Philip K. Dick gelesen haben.

Zeitlich ist die Serie nach dem Film angesiedelt, sprich: Das Precog Programm ist beendet und Agatha, Dash und Arthur genießen anonym ihre Freiheit. Dash beschließt eines Tages wieder mit der Behörde zusammen zu arbeiten, die ihn jahrelang als lebender Glückskecks missbraucht hat und dient ein weiteres Mal als Wahrsager, ahem... als Lieferant verwaschener Bilder und schneller Schnitte. Könnte funktionieren, wenn die Welt glaubhaft umgesetzt wäre. Ist sie aber nicht und die einzelnen Geschichten, die in den 10 Folgen auf den Tisch gelegt werden, sind belanglos und langweilig. Es gibt keine Charakterentwicklung, die Dialoge sind grenzwertig und das Ganze lässt sich wie folgt beschreiben: Das weiße Landei Dash geht mit dem afroamerikanischen toughen Stadtmädel auf Gangsta-Jagd. Es macht die Sache auch nicht besser, dass man der Hauptdarstellerin zwar die Rolle einer Frittenbuden-Besitzerin abnehmen würde, aber als "Police Detective" einer möglichen Zukunft ist sie ein Fehlbesetzung.

Ganz anders ist "The Expanse", eine Serie, die auf den Büchern von James S. A. Corey beruht, genauer: Die zwei Autoren Daniel Abraham und Ty Franck, die gemeinsam unter diesen Namen schreiben. Die Geschichte spielt in einer nahen Zukunft und Teile unseres Sonnensystems sind inzwischen besiedelt. Auf künstliche Gravitation aus Flux-Generatoren oder ähnliches muss man zunächst verzichten: Die Bücher sind "Hard Science Fiction", es wird Wert auf wissenschaftliche "Genauigkeit" gelegt. Schwerkraft wird durch Rotation oder Beschleunigung erzeugt und wenn beides nicht vorhanden ist, dann halten Magnetsohlen die Burschen und Mädels am Boden der Raumschiffe.

In der Serie wurde richtig Geld investiert und man merkt dies an allen Ecken und Enden. Effekte und Kulissen sind für eine SyFy Serie richtig gut und strahlende Sauberkeit vieler Zukunftsvisionen sucht man vergebens: Wasser ist ein knappes Gut, die Stationen dreckig, das Equipment abgenutzt und nur die wenigsten rennen im sauberen Star-Trek Wurstpellen-Strampelanzug herum. Es ist eine glaubwürdige Welt, in die von den Autoren viel Arbeit reingesteckt wurde und entsprechend umgesetzt worden ist. Je nach Ort verwenden die Menschen unterschiedliche Lingos und Körpersprache, die Schwierigkeit der auf Stationen geborenen Generation mit der Schwerkraft umzugehen, der Rassismus oder die Art und Weise, wie Raumschiffe sich im All verhalten. Ok, ich gestehe ein, dass der Low-Tech Ansatz der ersten Staffel gewöhnungsbedürftig sein kann, wenn man sich vorher ein paar flotte Raumschlachten anderer Science Fiction reingezogen hat.

Neben den persönlichen Plots ist auch eine glaubwürdige politische Landschaft vorhanden: Das Verhältnis von Mars, Erde und die Kolonien der äußeren Planeten ist von Spannungen geprägt, die tatsächlich nachvollziehbar sind. Auf den Stationen und Raumschiffen der äußeren Planeten sind Generationen von Menschen aufgewachsen, welche die Erde nur vom Hörensagen kennen und sich Unabhängigkeit wünschen, der Mars rüstet auf und Konzerne, die zu viel Geld und Einfluss haben spielen mit dem Feuer, kurz: Die Situation ist ein Pulverfass und eine Verschwörung macht sich daran, dieses Fass in die Luft zu jagen. Und wer ist der Böse? Wie bei den meisten besseren Serien gibt es auch hier kein klassisches Böse (erst einmal), sondern nur ein sehr verwaschenes Grau. Jede Fraktion hat Dreck am Stecken und eigennützige Motive.

So etwas wie ein Fazit: Meidet die "Landei mit Visionen trifft Stadtmädel" Geschichte, Science Fiction sucht man hier vergeblich. Lasst euch auf die Welt von "The Expanse" ein, auch wenn Zuschauer, welche die Bücher nicht gelesen haben, sich vermutlich am Anfang etwas hart tun, die ganzen Puzzle-Teile zusammenzufügen. Aber die Geschichte entwickelt sich und das beide Autoren an der Serie mitarbeiten merkt man deutlich: Sehr wenig logische Brüche, viele gute Dialoge und stark an der Orginalgeschichte orientiert. Da ich die Bücher bei mir Schrank stehen habe, bin ich für letzteres dankbar und es macht es einfacher der Geschichte zu folgen.

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